Der Waasen-Steffel
Nach Adolf Mohl "Hany Istok", aus dem Ungarischen übersetzt von Therese Kietaibl
Irgendwo in der Gegend von Illmitz beginnt die Geschichte vom Waasen-Steffel. Dort, wo vor Zeiten der glitzernde See und der geheimnisvolle Waasen ineinander übergingen in dieses schwankende, endlos scheinende sumpfige Moor, wo sich der schwimmende Rasen um die kleinen Lacken in malerischer Schönheit abwechseln.
Auf dem Illmitzer Hotter, nahe dem Neusiedler See, stand eine kleine bescheidene Fischerhütte wie eine Einsiedelei in der Einsamkeit der Wälder. Trotzdem hat der schimmernde See keinen glücklicheren Menschen gesehen, als den jungen Fischer, der in dieser dürftigen Hütte lebte.
Seine Frau umsorgte ihn, sie war sein größtes Glück. Sie war guter Hoffnung und sah mit freudiger Erwartung der Geburt ihres ersten Kindes entgegen.
Eines Tages kam der junge Fischer frohgestimmt und aufgeregt vom See zurück. "Schau", rief er schon von weitem, "was für einen schönen Fisch mir der Herrgott heute geschenkt hat!" Die Frau lief ihm entgegen und half ihm den Fisch herauszulegen. "Für den bekommen wir in Wien sicher so viel, dass wir einen ganzen Monat davon leben können", sagte der Fischer. Die junge Frau sah sich den schönen Wels an, sie schaute und schaute nur. "Das wird nicht gut ausgehen, wenn du den Fisch so lange betrachtest!", warnte ihre Mutter. "Warum soll das nicht gut sein, Mutter, ein so schönes Tier anzusehen?" "Ja, wenn du dich vergisst und dich in den Wels verschaust, kann das großes Unglück und Leid bringen." Mit diesen Worten zog sie die junge Frau mit sich fort. Aber es war schon zu spät!
Bald danach kam das erste Kind, ein Knabe, zur Welt. War das eine Freude! Es war nur schade, dass diese Freude nicht lange dauerte. Kaum hatten sie den Knaben gebadet und genau betrachtet, schauten sich die Angehörigen entsetzt an und betrachteten ihn immer wieder.
"Ach, was ist das für ein Kind", sagte endlich eine der Herum-stehenden", die Welt hat so etwas noch nicht gesehen!" Der Knabe sah sehr merkwürdig aus. Er hatte einen großen Kopf, kleine Augen, eine platte Nase und einen breiten Mund - wie ein Wels. Seine Ohren, besonders aber seine Finger und Zehen, waren sehr lang und - Gott im Himmel - es sah aus, als ob Schwimmhäute dazwischen wären. Der ganze Körper war mit harten lederartigen Schuppen bedeckt - wie bei einem Fisch. "Herr, verzeihe mir,"sagte der Vater, "ein jeder könnte ihn für einen Wels halten, wenn man nicht wüsste, dass er ein Mensch ist."
"Ich habe es gesagt, ich habe es gesagt", mischte sich die Mutter ein, aber sie sprach mehr zu sich, so dass es kaum jemand hörte. "Aber was", sagte schließlich der Vater ",er ist der Sohn eines Fischers, warum soll er nicht auch einem Fisch ähnlich sehen?"
Und so beruhigten sie sich und fanden sich damit ab, wie es sich für gottesfürchtige Leute gehört. Besonders auch deshalb, weil die nachfolgenden Kinder lebhaft, flink und gesund waren.
Die Eltern wurden aufs Neue bedrückt, als sie bemerkten, wie die Kleinen zu plappern anfingen, der Große aber stumm blieb und nur unartikulierte Laute hervorbrachte. Dabei verstand er es, sich beliebt zu machen. Er kletterte und bewegte sich wie ein Eichhörnchen, schwamm und tauche wie ein Frosch. Beim Essen war er nicht wählerisch, er bevorzugte rohe Kost, besonders gern verspeiste er frisch gefangene Frösche. In geschlossenen Räumen hielt er sich nicht gerne auf. Als er größer geworden war, trieb er sich halbe Tage lang im Waasen herum, in den sumpfigen Teilen des Neusiedler Sees.
Hierher lockten ihn die schwimmenden Raseninseln, die einladenden zusammenhängenden Rasenteppiche. Zur Zeit des Blattfalles war er außer sich vor Freude, wenn er, wie auf einem kleinen Floß, zum See hinausrudern konnte.
Ab und zu sprang er hinunter, umkreiste schwimmend die Raseninsel, hängte sich aufs Neue an, schob oder zog sie bald da hin, bald dort hin, so wie es die Strömung im Wasser gerade erlaubte. Das war seine Hauptbeschäftigung vom zeitigen Frühjahr an bis zum Spätherbst. Er war etwa sieben Jahre alt geworden, als er für diese Unterhaltung auch bezahlen musste.
An einem warmen Frühlingstag bemühte er sich eine größere Raseninsel in Bewegung zu setzen. Durch die große Anstrengung ermüdete er. Er legte sich auf den Boden und unter den wohltuenden warmen Sonnenstrahlen schlief er bald ein. Seine kleinen Geschwister verließen ihn und liefen heim. Als es dunkel geworden war und der kleine Fischjunge sich nicht sehen ließ, ging ihn sein Vater suchen, aber er fand ihn nicht. Darauf hin nahm er seinen Kahn und fuhr damit die benachbarten Gewässer ab, aber nirgends fand sich eine Spur von ihm. Am nächsten Tag durchsuchte er mit seinem Boot den ganzen Waasen, aber er kam wieder nur allein nach Hause. "Mütterchen", sagte er zu seiner weinenden Frau, " es ist so, wie ich befürchtet habe. Unterwegs habe ich viele schwimmende Raseninseln gesehen. Auf einer ist unser Kind eingeschlafen, sie hat sich wahrscheinlich vom Grund gelöst, und der Mittagswind wird sie auf den See hinaus und dann weiter nach Osten hinunter, in die Richtung des Windes getrieben haben. Jetzt streift er wahrscheinlich dort irgendwo im Waasen herum, er wird schon wieder einmal heimkommen." Das sagte er aber nur, um seine Frau zu beruhigen. Die seufzte schwer und meinte: "Ja, wenn ihn nur nicht die Rohrwölfe fressen!"
Aber die hatten ihn nicht gefressen. Der Bub hatte glücklich das Ufer erreicht, wach oder nachtwandlerisch - wer könnte das genau sagen - aber sicher war das eine:
Der kleine Fischjunge versteckte sich, so wie sein Vater vermutet hatte, im Erlenwald, in der Gegend von Kapuvar und Osli, lebte wie ein Wilder im Hansag und war gar nicht bedauernswert.
Der Benedikt, ein Lostag, hatte mit dem Sack die Wärme gebracht. So konnte die Witterung dem kräftigen Buben nichts anhaben. Nur während der Nacht musste er sich um eine Unterkunft kümmern, die er in Baumhöhlen oder verlassenen Fischerhütten auch fand. Seine Kost war nicht eben hervorragend, aber ganz nach seinem Geschmack.
Die Kiebitzeier, die auf dem Wiener Markt als große Delikatesse des Hansag teuer bezahlt wurden, kannte er von zu Hause, sie standen ihm in Hülle und Fülle zur Verfügung.
Fische und Frösche fing er so viele, als er nur wollte. Er verzehrte sie, so wie er es gewohnt war, roh und genoss sie mit großem Appetit. In dieser Zeit konnte er sein Leben ungestört genießen, schwimmend, kriechend oder auf einer schwimmenden Raseninsel schaukelnd.
Es umgab ihn der endlose Erlenwald mit seinen uralten Bäumen, der elfenhafte Hansag mit seinen kleinen Teichen und den tausenden Wasservögeln mit ihrem Gezwitscher und Rumoren.
Wie lange dieses königliche Vergnügen gedauert hatte, Tage, Wochen, Monate oder vielleicht ein ganzes Jahr, kann niemand sagen. Eines ist sicher, am 15. März 1749 legten die beiden Fischer Franz Nagy und Michael Molnar aus Kapuvar im Königssee, im Erlenwald, ihre Netze aus, wie in der amtlich verbürgten Chronik geschrieben steht. Es war ein kühler, feuchter Morgen, deshalb gingen sie nach dem Netzeauslegen in den Wald, um dürres Holz zu suchen und ein Feuer anzufachen. Als sie wieder zurückkamen, hörten sie lautes Geplätscher vom Königssee. "Es muss sich ein großer Fisch gefangen haben", sagte der eine Fischer. "Wenn er sich nur in unserem Netz gefangen hat!", meinte darauf der andere.
Aber so einfach war die Sache nicht.
Das Illmitzer Waldmännchen war zu dieser Zeit auch aus seiner nahegelegenen Baumhöhle hervorgekrochen. Am Teichrand gähnte es mehrere Male und sehnte sich nach einem guten Frühstück. Als es die nahenden Schritte der Fischer hörte - schwups - war es mit einem mächtigen Sprung im Teich und wollte schwimmend die Flucht ergreifen. Diesen Aufschlag im Wasser hatten die Kapuvarer Fischer gehört. Als sie zum Teich kamen, bewegte sich bereits das Netz. Schnell zogen sie es heraus und sie sahen mit Freude, wie eine Masse darin zappelte.
Was konnte das schon anderes sein, als ein königlicher Wels. Er schlug schrecklich im Netz um sich. Aber sie sahen auch, wie die schmutzige Gestalt mit Händen und Füßen versuchte, sich aus dem Netz zu befreien.
Sie glaubten - wer würde es ihnen verübeln - sie hätten einen leibhaftigen Teufel gefangen. Sie schlugen ein mächtiges Kreuz, wie es sich für Christenmenschen gehört. Schon wollten sie den Fisch, das Netz und das Boot im Stich lassen und nach Hause laufen, um Hilfe zu holen. Aber auf die kläglichen Töne des vermeintlichen Teufels hin fassten sie sich ein Herz, zogen das Netz samt seinem Inhalt in das Boot und ruderten mit der Beute eilends auf der kleinen Raab heimwärts. In der Marktgemeinde gab es ein Zusammenlaufen, ein Ansammeln der Leute und ein Kopfschütteln, wie dies das alte Schloss seit hundert Jahren nicht gesehen hatte. Die Fischer gingen, wie es sich gehörte, mit der Beute in das Schloss und berichteten Herrn Rosenstingl, dem Kastellan, was sie erlebt hatten. Der Kastellan war zwar ein kluger Mann, aber er wusste nicht, was er mit dem Ungeheuer, das inzwischen vom Netz befreit worden war, anfangen sollte. Dieses sprach nicht, sondern knurrte nur. Es aß und trank nichts. Es spuckte, biss und verteilte Fußtritte, wenn sich ihm jemand näherte- mit einem Wort- es war ein richtiger Wilder, wenn nicht gar ein Tier.
Man musste schließlich den Pfarrer Georg Szalontay rufen, der dann alles in die richtigen Wege lenkte. Zuerst stellte er einmal fest, dass es tatsächlich ein Mensch war, ein etwa acht bis zehnjähriger Bub, der aber keinen Verstand zu haben schien. Deshalb taufte er ihn am dritten Tag, so wie es die Regeln der Kirche vorschrieben, vor zwei Taufpaten. Herr Rosenstingl hatte Michael Hochsinner und Maria Mesnerin, die Frau des Schlosssakristans, mit der Patenschaft betraut. Der Chronist - man weiß den Grund nicht - vergaß die Eintragung, Stephan war der Taufname des Knaben.
Damit er einen ehrbaren Familiennamen erhalte, nannten ihn die findigen Bewohner von Kapuvar Waasen-Steffel.
Jetzt begann die schwere Arbeit der Zähmung, mit der der Kastellan seine Haiducken betraute. Am Anfang war es ihre Hauptsorge, den Steffel Tag und Nacht zu behüten, dass er nicht irgendwo hinlief, wenn er dazu Lust verspürte. Wenn er konnte, sprang er in den Schlossteich, und es gelang ihnen nur mit großer Anstrengung, ihn wieder herauszulocken. Dann mussten sie ihn an die Kleider gewöhnen, auch das war eine schwierige Angelegenheit. Mit viel Mühe und Not brachten sie ihn dazu, seine Oberkleider anzubehalten. Hut und Schuhe wies er ständig zurück. Wenn sie ihm dennoch aufgezwungen wurden, warf er sie im weiten Bogen von sich. Man gewöhnte ihn an gekochte Leckerbissen.
Als er so weit erzogen war, brachten sie den kleinen Fischjungen gar zur Schule. "Vielleicht", sagten sie ", kann ihn der Schulmeister ein bisschen zurechtbiegen".
Das war natürlich eine richtige Komödie. Die kleinen Kinder fürchteten sich vor ihm, die großen aber quälten und sekkierten ihn. Wenn sich ihm jemand in der Bank näherte und ihn anrührte, brummte er laut, zum Gaudium der Kinder. Wurde er abgesondert und in die Nähe der Türe oder des Fensters gesetzt, sprang er plötzlich wie der Blitz auf und wollte ausreißen. Von einem Lernen konnte natürlich keine Rede sein, abgesehen davon, dass er von schwacher Auffassung war. Man nahm ihn deshalb wieder aus der Schule und wollte ihn statt dessen zu Hause beschäftigen, etwa in der Küche als Küchenhilfe oder am Nachmittag als Gehilfe bei der leichten Gartenarbeit. Reden lernte er auf diese Art und Weise nicht, aber die Anordnungen seiner Vorgesetzten verstand er sehr bald.
Am liebsten hatte er die junge Tochter des Kastellans, die immer freundlich und gut zu ihm war. Sie beschenkte ihn öfters und nahm ihn manchmal auf einem Spaziergang mit. Freilich ging immer ein Haiducke mit und folgte ihren Spuren. Mit der Zeit brachte es unser Steffel so weit, dass er bei Festlichkeiten in einer schönen roten Hose und in einem grünen Dolman aufwarten durfte.
Als die Tochter des Kastellans ihre Hochzeit feierte, gab es im Schloss eine große Festlichkeit. Steffel war auch in seinem Festkleid unter dem Bedienungspersonal und sah, wie jeder Gast der schönen Braut ein Geschenk überreichte. Am Ende des Festmahls, als sich die Haiducken schon selbst versorgten, kam unser Steffel mit einem großen Topf in den Saal. Er näherte sich unbemerkt der Braut und mit einem glücklichen Lächeln leerte er den Inhalt des Topfes vor sie hin - einen Haufen lebender Frösche.
So wie sie von den anderen Geschenke erhalten hatte, wollte er ihr mit seinem Leckerbissen eine Freude bereiten. Es entstand daraufhin ein großes Durcheinander. So viel der Gäste waren, nach so vielen Richtungen liefen sie davon, ebenso sprangen die Frösche auf den Tischen umher. Steffel lächelte noch immer glückselig - aber nicht lange. Als die herbeigelaufenen Haiducken sahen, was er angerichtet hatte, zerrten sie ihn aus dem Saal, zogen ihm den grünen Dolman aus und verabreichten ihm zwölf Stockschläge, dass er, wie man zu sagen pflegt, den Himmel für eine Bassgeige hielt. Aber das war nicht alles. Sie schleppten den brüllenden Knaben in den Holzschuppen hinunter und sperrten ihn ein. Dort konnte er schreien so viel er wollte, es kümmerte sich niemand um ihn.
Inzwischen wurde die Braut abgeholt, das Seil war schon gespannt. Jeder wollte dabei sein. Im Schloss blieb keine Seele zurück, denn so ein herrschaftliches Seilspannen war selbst in Kapuvar keine alltägliche Sache.
Die Burschen des Marktes hatten ein blumengeschmücktes Seil quer über jene Straße gespannt, auf der der Wagen des jungen Paares daherkommen musste. Die Kutsche hielt an, der erste Bursche trat vor und lobte in einer wohlgesetzten Rede die vielen guten Eigenschaften der Braut. Die Burschen wollten sie erst dann entlassen, wenn sie der Bräutigam mit einer entsprechenden Anzahl von Goldstücken auslöste. Dieser erlegte zwölf goldene Marientaler, die Burschen lösten vom Seil das Blumengewinde, schmückten damit die Brautkutsche und gaben schließlich die Straße frei. Inzwischen hatte eine Zigeunergruppe zu spielen angefangen und die Hochzeitsleute fuhren weiter. Als die Haiducken und die Schlossbewohner mit großer Verspätung von dem seltenen Schauspiel heimkehrten, fiel ihnen der Steffel ein. Aber der Verschlag war leer. Steffel hatte einige Bretter gelockert und war verschwunden. Wohin? In welche Richtung? Das war nun die große Frage. Es wurde alles durchsucht, das Kastell, der Garten, die ganze Umgebung - aber vergebens. Wahrscheinlich war er in jene Richtung gelaufen, aus der er einst gekommen war.
Nach ein paar Tagen fanden die Jäger beim Königssee im Hansag die rote Hose des Steffel, aber in Stücke zerfetzt. Es konnte niemand sagen, ob er sich die Kleider selbst heruntergerissen, oder ob ihn ein wildes Tier zerfleischt hatte. Wahrscheinlich war er von den Wölfen gefressen worden, denn es wurde seither keine Spur mehr von dem verschwundenen Knaben gefunden.
Das Türken Annerl von Donnerskirchen
(Sage von Dir. Rudolf Kleiner)
Als in unserer Gegend die Türkengefahr drohte, bauten viele Gemeinden eine Mauer um das Dorf, um die Bevölkerung vor den wilden Türken zu schützen. So geschah es auch in Donnerskirchen. Es war um 1630. Einmal soll sich folgendes zugetragen haben:
Im Dorf wurde Alarm geschlagen, weil die Türken Richtung Donnerskirchen ritten. Die Männer im Ort waren mit Sensen, Dreschflegeln, Mistgabeln und Hacken gegen den Ansturm der Türken gerüstet.
Die Donnerskirchner Frauen flüchteten zur großen Kirche, die ebenfalls mit einer Schutzmauer umgeben war.
Als es dunkel wurde, erkletterten die Türken die Wehrmauer und konnten so in das Dorf eindringen.
Hier wohnte eine alte, kranke Mutter mit ihrer Tochter Anna. Die Türken stürmten in ihr Haus und es kam zu einem Gefecht zwischen der Anna und den Türken. Dabei wurden einige Türken verletzt und Anna getötet. Die Mutter holte schreiend Hilfe.
Es kam neuerdings zu einem Kampf mit herbeieilenden Dorfbewohnern, bei dem einige Türken getötet wurden und der Rest schließlich die Flucht ergriff. Am anderen Morgen beschloss man, die toten Türken außerhalb des Dorfhotters zu begraben, was auch geschah.
In der Nacht kam über Donnerskirchen ein fürchterliches Gewitter. Am anderen Morgen fand man die Toten frei an der Oberfläche liegend. Im Dorf hieß es:" Mutter Erde duldet solche bösen Menschen nicht."
Daraufhin beschloss man, mit den Türken auf den See zu fahren, um sie ins Wasser zu werfen. In der Nacht tobte wieder ein heftiger Sturm und am anderen Morgen waren die Türken am Ufer von Donnerskirchen angeschwemmt.
Schließlich begrub man die toten Türken nach dem Rat des Dorfpfarrers von Donnerskirchen in geweihter Erde, wo sie dann tatsächlich auch ihre letzte Ruhe fanden.
Ein Bootsunglück auf dem Neusiedlesee
Nach Adolf Mohl "Emberáldozat a Fertönek" aus dem Ungarischen übersetzt von Therese Kietaibl
Alte fromme Schriften sagen, dass jedes Land, jedes Volk seinen guten Geist hat, der es schützt und bewacht.
Genauso sagen die alten Schriften, dass jedes Land, jedes Volk, ja jeder See, jeder Fluss, jeder Berg, jede Wildnis einen bösen Geist hat, der dem Menschen, der sich ihm nähert, Schaden und Verderben bringt.
Ganz besonders von hohen, steilen Bergen, undurchdringlichen, schaurigen Wildnissen und tiefen Gewässern glaubten die Alten, dass der dort hausende böse Geist wenigstens einmal im Jahr ein Menschenopfer verlange. Bekomme er es nicht, räche er sich mit Vulkanausbrüchen, Erdbeben, Überschwemmungen und großem Sterben unter den Menschen. So ein böser Wassergeist herrschte auch in den Wassern des Neusiedler Sees. Jedes Jahr forderte er ein ihm zustehendes Menschenopfer, einen einsamen Fischer oder einen Jüngling, der sich mit seinem Boot zu weit hinausgewagt hatte.
Wer kann überhaupt sagen, wie viele verirrte Schiffer schon in den Tiefen des Sees, von den Wellen begraben, ruhen?
Besonders denkwürdig ist das Jahr 1822. Der böse Geist des Sees musste schon lange kein Opfer gefunden haben, weil er sich so schrecklich rächte.
In der lateinisch geschriebenen Pfarrchronik von Purbach finden wir aus dem Jahr 1822 folgende Aufzeichnung:
Am Tage des heiligen Rochus, einem Gemeindefeiertag, fuhren nach dem Nachmittagsgottesdienst neun Jünglinge mit zwei Mädchen bei strahlendem Sonnenschein in einem Boot auf den See hinaus. Noch lange hörte man ihre fröhlichen Lieder und ihr munteres Lachen bis zum Ufer herein.
Hat es sich wohl geschickt, dass man sich an diesem Gedächtnistag an die schreckliche Pest so sorglos und ausgelassen auf dem Wasser vergnügte? Wir wollen es nicht entscheiden, doch eines ist sicher: Die Mutter des 17jährigen Mathias Seeberger hatte dem Sohn, als er von zu Hause wegging, ganz streng verboten, mit den anderen Burschen auf den See hinauszufahren. Aber der Bursche folgte nicht und ließ sich, trotz des Verbotes seiner Mutter, zur Bootsfahrt verlocken. Als die munteren Burschen schon weit hinausgerudert waren, erhob sich ein fürchterliches Unwetter. Ein wilder Sturm trieb das Boot noch weiter hinaus in die Richtung der Untiefen des Sees. Die Fischer, die das stark überladene Boot hinausrudern gesehen hatten, schüttelten besorgt die Köpfe, als dieses grauenhafte Unwetter zu toben begann. Sie ahnten ein böses Ende.
Als der Sturm mit wilder Kraft losbrach und durch die Straßen des Ortes fegte, überkam Frau Seeberger eine dumpfe Angst und eine lähmende Ungewissheit. Der Bub war noch nicht zu Hause. War er etwa doch auf dem See draußen, der bei einem Unwetter so gefährlich ist? Alle Unglücksfälle auf dem See fielen ihr ein, von denen die Alten zu berichten wussten und an welche sogar das Altarbild in der Kirche gemahnte.
Als sie so grübelte und sich vor Aufregung den Kopf zerbrach, hörte sie plötzlich Schritte. Jemand kommt auf der Stiege in die Stube herauf! Beruhigt und erleichtert atmet die Mutter auf. Ja, das ist ihr Sohn! Sie erkennt seinen Gang schon von weitem. Zu bangen Überlegungen hat sie keine Zeit. Vor ihren starren, kummervollen Augen öffnet sich die Tür und vor ihr steht der Bub, ihr Sohn, ihr Mathias. Patschnass ist er, durchnässt vom Kopf bis zum Fuß, wie wenn er in schlammiges Wasser gefallen wäre. Und traurig, unendlich traurig schaut er seine Mutter an! Die besorgte Mutter springt auf, läuft ihrem Sohn entgegen und ehe sie ihn erreicht, ist er verschwunden, als ob ihn der Erdboden verschluckt hätte. Nur eine leere Wasserlache findet sie dort, wo er gestanden war.
Auf ihren gellenden Aufschrei hin eilen die Hausbewohner herbei und hören entsetzt, was ihnen die verstörte Frau erzählt. Aber sie hören nicht nur, sie sehen auch die nasse Tür, sehen die Wasserlache auf dem Fußboden, sehen die nassen Fußstapfen auf den Stufen. Also muss jemand hier gewesen sein. Jede Stube suchen sie durch, jede Kammer, jeden Winkel des Hauses, aber vergebens. Nirgends ist jemand.
Um der Ungewissheit ein Ende zu machen, laufen die Leute zum See hinunter und erkundigen sich bei den Fischern über die Bootsfahrer. Doch die Fischer wissen nur, dass die jungen Leute in einem vollbesetzten Boot hinausgerudert waren - und ja, der Mathias sei auch dabei gewesen. Aber zurückgekommen sei bisher niemand, ein Unglück könne bei dem Unwetter leicht geschehen sein.
Als sich der Sturm zu legen begann, ruderten einige beherzte Fischer, auf die Bitte der verzweifelten Mutter hin, auf den See hinaus, der sich zu beruhigen begann. Sie kamen erst spät in der Nacht zurück und brachten die wenig beruhigende Nachricht, dass von den Ausflüglern keine Spur zu finden gewesen sei.
Nach einigen Tagen fand man zwischen Podersdorf und Illmitz elf auf den Wellen des Sees treibende Leichen. Gute Leute zogen sie heraus und man begrub zwei in Podersdorf, die übrigen neun in Illmitz. Die Eintragungen in den dortigen Kirchenbüchern sind über jeden Zweifel erhaben. Die Bootsfahrer waren also im See ertrunken und wahrscheinlich im selben Augenblick, als Frau Seeberger die nasse Gestalt in ihrer Stube erblickt hatte.
Der böse Geist des Sees hatte wieder seine Opfer gefordert und auf tragische Weise auch erhalten.
Die Entstehung des Neusiedlersees
(Sage von Friedrich Schattauer)
Dort, wo sich der Neusiedlersee ausbreitet, befand sich vor langer Zeit eine fruchtbare Talmulde, auf der in mehreren Dörfern fleißige Menschen wohnten. Einmal geschah es, dass sich der Burgherr von Forchtenstein bei der Verfolgung eines weidwunden Hirsches in diese Gegend verirrte. Dabei kam er auch in das Dorf Mädchental. Hier erblickte er Maria, einer Witwe einzige Tochter, die als das schönste Mädchen im weiten Umkreis galt. Ihre Anmut und Schönheit bezauberten ihn vom ersten Augenblick an. Kein Tag verging, an dem er sie nicht aufsuchte und mit kleinen Geschenken bedachte. Seine freundliche Wesensart beeindruckte Maria sehr. Wegen seiner guten Manieren hielt sie ihn für einen herrschaftlichen Jäger und glaubte, dass er ernste Absichten habe, sie zu freien, deshalb erwiderte sie seine Neigung.
Die täglichen Ausritte und das veränderte Gehabe des Burgherren blieben jedoch seiner Gemahlin Richilde nicht verborgen und veranlassten sie, nach deren Ursachen zu forschen. Sie beauftragte den Diener Samuel, den Grafen heimlich zu überwachen und ihr über jeden seiner Schritte zu berichten. So erfuhr sie die volle Wahrheit.
Bis ins Innerste verletzt und gedemütigt, schwor sie dem Mädchen Maria und deren Mutter bitterste Rache. Sie wollte aber nichts übereilen und geduldig harren, bis sich ein günstiger Zeitpunkt dazu bot. Dieser ließ nicht allzu lange auf sich warten.
Eines Tages hieß es, ein Krieg sei ausgebrochen und der Burgherr müsse unverzüglich gegen den Feind ziehen. Nun war Richildes Zeit gekommen.
Kaum war der Graf mit seinen Knechten fortgeritten, da begab sie sich mit Samuel und einem kleinen Gefolge ihr treu ergebenerUntertanen nach Mädchental und ließ Maria und ihre Mutter gefangennehmen und ins Burgverlies werfen. Alle ihre Beteuerungen, sie seien unschuldig und hätten nicht gewusst, dass der Jäger der Burgherr sei, fanden kein Gehör. Die Gräfin bezichtigte die beiden Frauen der Lüge, der Verführung und der Ehestörung und als einige von ihr gedungene Bauern belastende Aussagen machten, sprach sie das Todesurteil über die beiden aus.
Der Richtspruch lautete auf Tod durch Ertränken. Die Hinrichtung sollte am nächsten Morgen vollzogen werden. Bleich aber ruhig vernahm Maria das Urteil, mit gesenktem Haupt schritt sie in ihre Zelle zurück. Nicht so ihre Mutter. Die alte Frau bekam einen Schreikrampf und musste mit Gewalt abgeführt werden.
Als der Morgen dämmerte, hatte sich bereits eine große Menschenmenge beim Dorfteich eingefunden. Von weit und breit waren die Neugierigen herbeigeströmt, um dem grausigen Schauspiel beizuwohnen.
Die zwei Frauen wurden von einigen Knechten zu einer bestimmten Uferstelle geschleppt, dort mussten sie das Kreuz küssen, das ihnen der Priester entgegenhielt. Danach zerbrach er über ihren Köpfen ein Lindenholzstäbchen, zum Zeichen dafür, dass ihr Leben verwirkt sei.
Atemlose Stille senkte sich über den weiten Platz.
Mit hartem Griff fassten die Knechte die beiden todgeweihten Frauen an Armen und Beinen und umwickelten diese mit starken Stricken. In diesem Augenblick begann Marias Mutter so verzweifelt zu schreien, dass es den Zuschauern durch Mark und Bein drang.
"Tausendmal verflucht ist die Burgfrau und seid ihr alle, die ihr ein falsches Zeugnis wider mich und meine Tochter abgelegt habt und Schuld an unserem Tode seid! Noch bevor die Sonne zum zweiten Mal untergeht, soll euch die gerechte Strafe treffen!"
Weithin gellte ihre Stimme, dann stieß man sie und Maria mit groben Fäusten über die steile Böschung in das Wasser, wo sie jämmerlich ertranken. Schaudernd wandten sich die Leute ab und verließen kleinlaut den Platz.
Am folgenden Morgen war das Wasser des Teiches bis an den Uferrand gestiegen; an der Oberfläche aber schwammen mit seltsam verklärten Gesichtern und gekreuzten Händen die zwei toten Frauen. Die Stricke, mit denen sie gefesselt worden waren, fehlten. Sie waren auf unerklärliche Weise verschwunden.
Die geängstigten Bauern sahen darin ein Wunder und bestatteten reuevoll die beiden unschuldigen Opfer der Burgherrin. Trotzdem stieg das Wasser im Teich immer höher, bald begann es über die Ufer zu quellen und das Land ringsum zu überschwemmen. Die verzweifelten Bauern mussten das Vieh wegtreiben, ihre Habe in Sicherheit bringen und die Häuser verlassen. Am dritten Tag war aus dem Teich ein See geworden, der sich unaufhörlich weiter ausdehnte, bis er schließlich seinen heutigen Umfang erreichte.
Bestürzung und Reue erfassten die stolze Frau. Das hatte sie nicht gewollt. Gewissensbisse quälten sie, verworrene Träume suchten sie heim, schreckhafte Bilder verfolgten sie Tag und Nacht, bis der Wahnsinn ihren Geist trübte und ihr Leben sinnlos machte. Den Verräter Samuel brachten all diese Ereignisse nicht aus seiner Ruhe. Im Gegenteil, er schien vergnügter als je zuvor. Der große See bereitete ihm viel Spaß. Er ritt oft bis ans Ufer und blickte versonnen über die glatte Wasserfläche. In Gedanken malte er sich aus, wie es sein mochte, in einem Boot dahinzutreiben und sich von den Wellen schaukeln zu lassen. Kurz entschlossen ließ er sich einen Kahn zimmern und ruderte nun täglich auf den See hinaus.
Als er eines Tages weit draußen in seinem Boot dahinglitt, wurde er von einem heftigen Unwetter überrascht. Ein gewaltiger Sturmwind wühlte das Wasser bis zum Grunde auf und das Boot drohte zu kentern. Da er noch immer keinerlei Reue über seine Tat zeigte, verschlangen ihn die rächenden Wassergeister. Seine schaurigen Hilferufe verhallten ungehört im Sturmgebraus. So fand Samuel in den tobenden Wellen ein schreckliches Ende.Nach Beendigung des Krieges kehrte der Burgherr von Forchtenstein in seine Heimat zurück. Groß war sein Entsetzen, als er von den tragischen Geschehnissen erfuhr. Marias grauenvoller Tod erschütterte ihn. Sofort ließ er zum ewigen Gedächtnis an sie in der Nähe des Sees das Kloster Frauenkirchen errichten. Dann pilgerte er nach Rom, um Vergebung für seine Sünden zu erlangen.
Die Jahre vergingen und allmählich versanken auch die Baumwipfel und Kirchturmspitzen, die noch eine Zeit lang aus dem Wasser ragten. Nichts erinnert mehr an die Orte, die dort lagen, wo sich heute die spiegelnde Fläche des Sees erstreckt.
Der Fischer vom Neusiedler See
(Sage von Friedrich Schattauer)
Vor mehr als hundert Jahren tummelten sich im Neusiedler See noch an vielen Stellen Nixen und Wasserfeen herum. Sie hüpften und tanzten über das Wasser oder trieben auf den kleinen Schilfinseln nächst dem Ufer ihre neckischen Spiele. Manchmal zeigten sie sich unvermutet auch den Menschen, tauchten aber rasch wieder unter, wenn sie gewahrten, dass man sie neugierig anstarrte.
Nicht alle Leute waren ihnen freundlich gesinnt. Die Fischer zum Beispiel verwünschten sie in Grund und Boden. Sie beschuldigten die Wassergeister, durch ihr übermütiges Getue die Fische zu vertreiben, sodass die ausgelegten Netze häufig leer waren. Derbe Schimpfworte hagelte es oft auf die erschrockenen Nixen, die schmollend im Röhricht verschwanden. Ein Fischer war darunter, der trieb es besonders arg. Er verfolgte die übermütigen Wasserfeen mit seinem Kahn durch die "Schluichten" weit in das Schilf hinein und drohte ihnen sie zu töten, wenn sie mit dem Unfug nicht aufhörten.
"Ach, Mann, du sollst nicht so garstig zu ihnen sein!", beschwor ihn seine Frau, wenn er mit leeren Netzen fuchsteufelswild heimkehrte.
"Nicht garstig sein!", rief er zornig. "Soll ich mir jedesmal den Fang vergrämen lassen? In dieser Woche haben sie mir schon zweimal die Fische verjagt! Dafür soll ich mich wohl noch bei ihnen bedanken?"
"Aber fünfmal bist du mit reicher Beute heimgekehrt", wandte die Frau ein. "Soviel wie heuer hast du noch in keinem Jahr gefangen!", fügte sie beschwichtigend hinzu.
"Ach was, der Fang könnte noch weit besser sein!", widersprach er heftig. "Wenn nur diese Teufelsbrut nicht solchen Lärm machte! Aber wartet nur, einmal werde ich euch schon erwischen, dann gnade euch Gott!" Er hob bei diesen Worten seine Faust und drohte zum See hinaus.
"Sei bloß vorsichtig, Mann!", bat die Frau ängstlich. "Mit den Wassergeistern soll man es sich nicht verderben. Sie sind stärker als wir Menschen!"
"Törichtes Weibergeschwätz!", brummte er verächtlich. Und gehässig fügte er hinzu: "Ich lass mir doch von diesem Teufelspack nicht die schönsten Fische vertreiben!"
Schon am nächsten Morgen bestieg er wieder sein Boot und fuhr am Schilfgürtel entlang, darauf bedacht keinen Lärm zu machen. Behutsam hob und senkte er die lange Bootsstange in das Wasser. Fast lautlos glitt das Fahrzeug dahin. Der Fischer hielt Augen und Ohren offen, damit ihm kein Geräusch entging, denn heute wollte er nicht Fische, sondern Wassergeister fangen. Aber außer ein paar Fröschen und Wasserschlangen gab es weit und breit nichts zu erspähen.
Schon wollte er enttäuscht das Boot wenden, da gewahrte er plötzlich hinter einer Schilfinsel eine Bewegung im Wasser. Etwas plätscherte dort herum. War es eine Ente oder eine der verhassten Feen?
Vorsichtig lenkte er das Fahrzeug näher. Als er um das Schilf herumfuhr, sah er wirklich eine Nixe vor sich. Sie hatte sich in einem Netz verstrickt und bemühte sich vergebens, von der Stelle zu kommen. Bei den Anstrengungen sich zu befreien, war das Netz an mehreren Stellen aufgerissen. Der Anblick des zerissenen Netzes steigerte noch den Grimm des Fischers.
"Was tust du hier?", herrschte er die erschrockene Wasserfee an. "Siehst du nicht, dass du das Netz zerreißt?"
"O hilf mir aus diesem Netz!", flehte die Wasserjungfrau händeringend. "Schon die ganze Nacht bin ich gefangen. Mein Vater, der allen Geistern befiehlt, wird es dir reichlich lohnen!"
Der Fischer sah nur das zerrissene Netz und den Schaden, der dadurch entstanden war, nicht aber die Not der gefangenen Nixe. Außer sich vor Zorn hob er die Bootsstange und schlug mitleidlos auf die Wasserfee ein. Herzzerreißend bat sie um ihr Leben, doch der Fischer erhörte ihr Flehen nicht. Erbarmungslos stieß er sie nieder. Mit einem Wehlaut auf den Lippen versank die Arme im Wasser.
Höhnisch lachte der rohe Fischer, dass es weithin über den See scholl. Aber kaum war das Lachen verstummt, da erbebte der Seegrund und rabenschwarze Nacht brach herein.
Ein Sturmwind erhob sich, und mannshohe Wellen trugen das Boot in den offenen See hinaus.
In mondhellen Nächten, wenn dünne Nebelschleier über das flüsternde Schilfrohr gleiten, hört man manchmal ein leises Plätschern und das Aufschlagen und Knirschen einer Bootsstange. Es ist der hartherzige Fischer, der dazu verdammt ist, bis in alle Ewigkeit mit seinem Fahrzeug auf dem See umherzuirren. Wie sehr er sich auch bemüht, das rettende Ufer zu erreichen, es gelingt ihm nicht. Die Wellen treiben den Kahn immer wieder hinaus auf den See, wo er nach einiger Zeit hinter wallenden Nebelschwaden spurlos verschwindet.
Gefangener der Türken - Andreas Grein
(Schriftlich festgehalten von HD Josef Wein)
Im Zuge der Türkenkriege, als das Hauptheer gegen Wien zog, plünderten immer wieder kleinere Horden die verängstigten Dörfer im Nordburgenland.
1647 überfielen wieder einmal Türken und Tataren die Seegemeinden, um bei den in Todesangst fliehenden Dorfbewohnern leichte Beute zu machen. Dabei fiel ihnen in Purbach ein versteckter Jungbauer - Andreas Grein- in die Hände.
Die wilde Reiterschar legte den armen Tropf in Ketten. An ein Pferd angebunden, musste der Gefangene mit dem Trupp mitlaufen, wobei er manche Wegstrecke sogar vom Pferd mitgeschleift wurde. Die Türken nahmen ihn in ihre Heimat mit, wo er fürchterliche Strapazen zu erdulden hatte.
Nachts eingesperrt in einen Schweinestall, verrichtete er tagsüber, eingespannt hinter dem Ackerpflug, schwerste Sklavenarbeit. Seine kargen Mahlzeiten bestanden aus Kukuruz, Hirse und Nüssen.
Nach siebenjährigem Martyrium konnte der Arme mit Hilfe einer gefangenen Landsmännin entkommen. Sie schlich während der Nacht zu seinem Gefängnis und öffnete den Riegel. Selber wollte sie nicht mehr fliehen, da sie sich an die Entbehrungen der Gefangenschaft gewöhnt hatte.
Grein schlich rückwärts gehend vom Schweinestall weg, sodass seine Fußspuren zum Lager zeigten. Aus Angst vor Verfolgern wanderte er anfangs nur in der Nacht. Tagsüber versteckte er sich in Feldern und Waldungen. Bis er aus dem Einzugsbereich der Türken kam, ernährte er sich nur von Mais. Später bekam der Fremdling öfters Almosen in den Ansiedlungen, die er bei seinem Heimmarsch durchwanderte.
Sonne, Mond und Sterne wiesen ihm oft den Weg Richtung Norden, aber erst nach vielen gefährlichen Abenteuern und kräfteraubenden Irrwegen erreichte Grein endlich den ersehnten Neusiedler See.
Nach etlichen Monaten Fußmarsch brach er total erschöpft zusammen und küsste dankbar die Heimaterde. Bald kam er dann in die Nähe seines geliebten Heimatortes, wo er auf einem Familienacker noch einmal todmüde aber überglücklich rastete, bevor er das Dorf betrat.
Der verwildert aussehende Grein wurde zuerst nicht einmal von seinen Angehörigen wiedererkannt. Umso größer war dann jedoch der Jubel und die Freude über den tapferen Heimkehrer, als er sich zu erkennen gab.
Beim Acker, wo er das letztemal gerastet hatte, wurde zur Erinnerung an diese Begebenheit eine Dreifaltigkeitssäule errichtet. Im Volksmund heißt sie "Koppi-Kreuz'', nach einem späteren Besitzer benannt. Als Inschrift trägt sie die schicksalhafte Jahreszahl "1647''. Heute befindet sich die Erinnerungssäule im Besitz der Familie Jautz.
Am "Grein-Haus'' wurde ein steinerner Krebs in die Mauer gesetzt. Er sollte an den listigen Rückwärtsgang bei Greins abenteuerlicher Flucht errinnern. Vorbesitzer war auch die Familie Jautz. Heute gehört das historisch interessante Haus in der Kirchengasse der Familie Raditsch.
Aus Dankbarkeit für seine wundersame Errettung aus der türkischen Gefangenschaft ließ Andreas Grein auch noch ein Votivbild malen.
Darauf ist seine Gefangennahme dargestellt, wie er auf brutale Weise von seinen Peinigern mit dem Pferd verschleppt wurde. Über ihm schweben die Heilige Dreifaltigkeit, die Mutter Gottes und der Heilige Nikolaus - der Schutzpatron der Purbacher.
Dieses wertvolle Bild hängt derzeit in der historischen Nikolauszeche und trägt folgende Inschrift: "Ich Andreas Grein bin in 1647 von den Tatarn gefangen worden, und durch Vorbitt der H. Dreifaltigkeit und Mutter Gottes wie auch Vorbitt S. Nikolaus errettet worn." (Originalinschrift)
Das Natternkrönlein
(schriftlich festgehalten von Dir. Rudolf Kleiner)
Das Donnerskirchner Ährenfeld ist oben am Leithaberg ganz flach. Früher wurde es landwirtschaftlich bewirtschaftet. Auf den Wiesen fanden die Kinder wunderschöne Blumen. Ganz in der Nähe am Waldrand finden wir auch heute noch die Malzlacke. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges war dieser Platz ein beliebter Spielplatz für die Kinder.
Die Malzlacke ist eine Mulde, in der sich im Frühjahr das Wasser von der Schneeschmelze und im Sommer das Regenwasser sammelt. Zum Baden ist die Lacke zu seicht und es tummeln sich dort hauptsächlich Nattern, Kröten und Frösche. In der Nähe dieser Malzlacke soll sich folgendes zugetragen haben:
Spielende Kinder sahen einmal eine Natter, die auf ihrem Kopf ein funkelndes Krönlein trug.
Die Natter schlängelte sich durch das Gras, um sich in der Malzlacke zu baden.
Bevor sie zum Wasser kam, streifte sie ihr Krönlein ab. Das Krönlein glitzerte in der Sonne wie pures Gold.
Ein Mädchen war von dem Natterkrönlein so beeindruckt, dass es am nächsten Tag wieder zur Malzlacke ging. Tatsächlich konnte sie beobachten, wie dieselbe Natter wieder im Gras ihr Krönlein abstreifte und in der Malzlacke ein Bad nahm.
Das Mädchen bekam so ein Verlangen nach dem goldenen Krönlein, dass es ein Tüchlein ausbreitete, das im Gras liegende Krönlein darin einwickelte und damit nach Hause eilte. Doch das Kind hatte mit dem gestohlenen Krönlein nicht viel Glück. Es schlief in dieser Nacht sehr schlecht und einmal klopfte jemand ganz fest am Fenster ihrer Schlafkammer. Das Mädchen bekam große Angst und getraute sich nicht, das Fenster zu öffnen
Als es am nächsten Morgen aufwachte, lag die Natter tot vor dem Haustor. Nun bekam das Mädchen Gewissensbisse, dass es durch seine Habgier den Tod der Natter verschuldet hatte. Ihr ganzes Leben trug sie an dieser Schuld und wurde nie mehr richtig froh.
Der Totenkopfzwickel bei Breitenbrunn
(schriftlich festgehalten von Friedrich Schattauer)
Noch vor dem Herannahen der Türken hatten einige Breitenbrunner Bauern im Wald an der Sommereiner Gemeindegrenze eine tiefe Erdhöhle ausgehoben, damit sie sich mit ihren Angehörigen darin verbergen konnten. Das Vieh trieben sie in die Leithawälder.
Als die Feinde in den Ort eindrangen, fanden sie ihn leer. Darüber ergrimmten sie so sehr, dass sie alles, was ihnen wertvoll schien, zerstörten. Kleinere Horden suchten die Umgebung nach den geflohenen "Giaurs"- den Ungläubigen - ab. Es gelang ihnen auch, einige Leute, die sich nicht sorgfältig genug versteckt hatten, zu fangen und wegzuschleppen. Von ihnen hat man nie mehr etwas gehört.
Unter den Bewohnern, die in der Erdhöhle Zuflucht genommen hatten, befand sich auch eine Witwe mit ihrem kleinen Kind. In der feuchten Höhle erkrankte das Kind, weinte und jammerte unaufhörlich und ließ sich von seiner Mutter gar nicht beruhigen.
Die arme Frau war untröstlich und wusste nicht, was sie beginnen sollte. Tagsüber duldete man das Geschrei des Kleinen, aber während der Nacht wollten die Leute ihre Ruhe haben. Sie hatten auch Angst, dass das Jammern und Greinen von den Türken gehört werden könnte.
Deshalb forderten sie die Witwe auf, sich mit dem Kinde irgendwo im Wald eine Liegestätte zu suchen, damit sie in der Höhle ungestört seien. Das war bitter. Aber die Frau gehorchte der Aufforderung, ohne zu murren.
Nachdem sie eine Weile mit dem weinenden Kind im finsteren Wald umhergeirrt war, fand sie endlich in einer dichtbelaubten Mulde eine geschützte Stelle, die ihr zum Schlafen geeignet schien. Sie machte es sich, so gut es ging, bequem, umwickelte das Kind mit einer wollenen Decke und versuchte einzuschlafen. Seltsamerweise verhielt sich das Kind nun völlig ruhig. Kein Laut drang mehr über seine Lippen. Dankbar lauschte die Frau den gleichmäßigen Atemzügen und war froh, dass es endlich schlief. Bald fielen auch ihr die Augen zu, und sie schlummerte ein.
Im Morgengrauen wurde sie durch ein fürchterliches Geschrei geweckt. Sie dachte zuerst, ihr Kind habe wieder zu schreien begonnen und wollte nach ihm greifen, um es zu beruhigen, aber da bemerkte sie, dass es ganz still dalag und schlief.
Der Lärm drang von außen in ihr Versteck. Er klang wie das Angstgeschrei verzweifelter Menschen. Dazwischen tönten laute Rufe in einer fremden Sprache. Um Gottes willen, Türken! Sie stand erschrocken auf und spähte durch die Zweige in den Wald hinein. Da sah sie zwischen den Bäumen und Sträuchern eine große Türkenschar mit ihren langen Krummsäbeln dahineilen und in die Höhle eindringen.
Die lauten Allah-Rufe der Angreifer wurden vom Wehgeschrei der Verwundeten und Sterbenden übertönt. Es war schrecklich anzuhören. Entsetzt hockte sich die Frau zu ihrem schlafenden Kind nieder und dachte nicht anders, als dass nun bald die Türken zu ihr kommen würden, um auch sie und das Kind zu töten. Doch die Zeit verging, und es geschah nichts. Der grauenvolle Lärm war längst verstummt, eine unheimliche Stille breitete sich aus: Todesstille. Die Frau wagte sich noch immer nicht aus ihrem Versteck hervor, weil sie meinte, die Feinde würden draußen auf sie lauern. Weinend und zitternd vor Angst wurde sie schließlich von einheimischen Männern und Frauen gefunden, die auf der Suche nach ihren Angehörigen durch den Wald streiften.
Sie erzählte ihnen, was sie erlebt hatte.
Als die Leute dann in die Höhle eindrangen, bot sich ihnen ein grässlicher Anblick:
Die Leichen der Flüchtlinge lagen mit abgeschnittenen Köpfen auf dem Boden umher. Außer der Frau und dem Kind war kein einziger dem Massaker entronnen.
Die Höhle ist schon lange verschüttet, die Namen der Getöteten sind verweht und vergessen, nur die schaurige Bezeichnung, "Totenkopfzwickel" erinnert noch an jene tragische Begebenheit.